Seebrücken-Kundgebung zum UN-"Weltgeflüchtetentag"

Für das Recht auf Asyl! Für das Recht auf Leben! Flucht ist kein Verbrechen!

Am 20. Juni fand am Hallplatz in Nürnberg eine Kundgebung der Seebrücke Nürnberg statt. Neben Geflüchteten und Redner*innen des Bayerischen Flüchtlingsrats, der Seebrücke, der Sea Eye, von Rosa Asyl / Immedana, des Bündnis Frieden in Kurdistan sprachen auch wir zum neuesten EU-"Asylkompromiss": 

(Warnung : Dieser Text enthält Beschreibungen von Gewalt)

Die Zustimmung der EU-Innenminister*innen zum sog. Asylkompromiss hat uns und viele andere schockiert und erstmal gelähmt zurückgelassen. Deshalb freut es uns umso mehr, euch alle hier heute zu sehen. Leider muss man es so sagen:  The worst is yet to come! Diese Floskel bestätigt sich im Bereich Flucht und Migration immer wieder.

Schon seit Jahren findet eine Militarisierung an den europäischen Außengrenzen statt. Bilder von gewaltausübenden Grenzbeamt*innen, von schweren Verletzungen durch Stacheldraht, Schlagstöcken und Geschossen, von geborgenen toten Menschen sind so häufig, dass der große Aufschrei darüber inzwischen ausbleibt. Auch Berichte über Folter, Menschenhandel und Sklaverei entlang der Fluchtrouten, wie es nachweislich in Libyen geschieht, werden zur Randnotiz. Menschen, die hinschauen, die anprangern, die aktiv versuchen, Menschenleben zu retten, werden ebenso bekämpft, mit Gewalt- und Strafandrohungen.

Der neue EU-Beschluss ist ein weiterer Schritt, um das Kriminalisieren von schutzsuchenden Menschen rechtlich einzubetten, zu Normalisieren und Ergebnisse einer erbarmungslosen Grenzpolitik wegzuschieben, die Verantwortung für Gewalt an andere abzugeben.
Was 1993 in Deutschland bereits auf nationaler Ebene geschehen ist, soll nun auch europaweit Anwendung finden: die faktische Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl. Mit der Zustimmung zu neuen Lagern an den EU-Außengrenzen hebeln die Innenminister*innen der EU den Schutz von Geflüchteten weiter gefährlich aus. Die Durchführung von sog. Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen sind alles mögliche, aber kein „historischer Erfolg für eine neue solidarische Migrationspolitik,“ wie es Innenministerin Nancy Faeser versuchte zu verkaufen. Sie sind ein Ausverkauf von Menschenrechten und eine Abschottung Europas mit immer autoritäreren Maßnahmen. Shame on you Nancy!

Diese Bejahung von autoritären Maßnahmen spiegelt sich auch Innenpolitisch wieder. Rechte Erzählungen werden hochgehalten, um die menschenverachtende Außenpolitik zu rechtfertigen, es wird Angst und Hass geschürt und den Forderungen von rechter Seite nur zu gern nachgegeben. Die gesellschaftliche Stimmung wird nach rechts gekippt. Katastrophen- und Überforderungsmetaphern sorgen dafür, dass nationalistische Narrative bestätigt werden und rechte Stimmen erstarken können. Dies bedeutet auch immer den Anstieg von rechter Gewalt. Zum Beispiel gab es eine massiven Zunahme rassistischer Übergriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte allein in den letzten Monaten. Die Angriffe haben sich bereits im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Doch statt die tatsächliche Bedrohung von rechts ernstzunehmen und dagegen vorzugehen, setzt die Politik darauf Antifaschist*innen zu kriminalisieren. Die Verurteilungen im
Antifa-Ost-Prozess und der Umgang mit den Protesten dazu, v.a. in Leipzig, zeigt ganz deutlich in welche Richtung eine neue nationale Sicherheitsstrategie gehen soll. Es zeigt sich die traurige Wahrheit, welche die Angehörigen der durch den NSU ermorderten Menschen, die Hinterbliebenen in Hanau und Halle schon schmerzhaft feststellen mussten: Der Staat schützt uns nicht vor Faschist*innen, er schützt die Faschist*innen selbst.

Auch andere Formen des Protests sind von Kriminalisierung betroffen. Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen und selbst nur die Minimalforderung stellen, dass die Politik sich an ihre eigenen Versprechen halten soll, werden so als Bedrohung umgedeutet, dass massenhafte Hausdurchsuchungen und (präventive) Inhaftierungen gerechtfertig scheinen sollen. Das Polizeiaufgabengesetz (PAG) machts möglich!
Dabei ist ganz klar, dass eine der größten Bedrohungen unserer Zeit die Klimakatastrophe ist.
Es ist auch klar, dass die Menschen die am meisten unter den Konsequenzen leiden werden, nicht in Europa sind und dass dadurch noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen sein werden. So setzt Europa jetzt schon ein klares Signal: Bei uns seid ihr nicht willkommen. Und wenn ihr doch kommt, begegnen wir euch mit Gewalt. Das ist besonders zynisch in Anbetracht dessen, dass vor allem der westliche Teil Europas einer der Hauptverursacher der Klimakrise ist. Weder Deutschland noch andere europäische Länder sind bereit,  neben leeren Worten eine andere Klimapolitik einzuschlagen, die das Überleben von vielen Millionen Menschen retten und von zukünftigen Generationen ermöglichen wird. Genauso wenig ist weder Europa noch Deutschland bereit, eine an den Menschenrechten orientierte Asylpolitik einzuschlagen. Nicht Fluchtursachen werden bekämpft, sondern fliehende Menschen.

Die Fluchtrouten werden durch die Abschottungspolitik immer tödlicher. Doch auch in Europa haben geflüchtete Menschen kaum eine Chance. In Deutschland werden Abschiebungen als Erfolg gefeiert. Jahrelang wurde bspw. fleißig nach Afghanistan abgeschoben, ungeachtet der politischen Lage dort. Seehofer machte Witze über 69 abgeschobene Afghanen an seinem 69. Geburtstag, als sei es ein Grund zu feiern Menschenrecht zu brechen und Menschen in den potentiellen Tod zu schicken. Das im Oktober gestartet Bundesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan im Frühjahr 2023 ist bereits wieder gestoppt. Bis heute hat Deutschland im Zuge des Programms sage und schreibe 0 Visa erteilt. Shame on you Ampelkoalition!

Um zu verhindern, dass Menschen in die EU gelangen, sind auch Abkommen mit autokratischen Staaten, wie der Türkei kein Hinderniss. Das Interesse ist größer Menschen fernzuhalten, als sich an Grund- und Menschenrechten zu halten. Shame on you Europa!

Der fehlende Wille der Klimakrise ernsthaft zu begegnen, die Abschottung Europas, das Verhandeln mit diktatorischen Regimen zu lasten von Menschenrechten, neue Deals mit Öl-,Gas- und Kohle-Konzernen. Kriminalisierung von Widerstand macht ganz deutlich: Macht- und Profitinteressen weniger stehen über dem Interesse vieler, auf ein menschenwürdiges Leben. Kapitalistisches Wirtschaften braucht keine demokratische Grundlage. Werden Profitinteressen und -möglichkeiten in Frage gestellt, werden diese mit autoritärer Hand trotzdem durchgesetzt. Wir sehen keinen Grund daran zu glauben, dass es in dieser Maximierungs- und Verwertungslogik einen Weg geben kann, der zu einem Leben in Freiheit und Würde für uns alle führt. Wir glauben aber daran, dass ein anderes Leben möglich ist. Lasst und gemeinsam andere Wege finden, eine solidarische Welt aufzubauen. Abschottung, Gewalt und Ignoranz kann nicht die Antwort sein. Das wir heute hier stehen und unsere Stimme erheben gegen den Ausverkauf der Menschenrechte ist ein erster Schritt.
 

Für das Recht auf Asyl! Für das Recht auf Leben! Flucht ist kein Verbrechen!
Another World ist possible!