Gedenken an die NSU-Opfer in Nürnberg

Offener Brief an die Stadt Nürnberg

In den kommenden Tagen jährt sich die Ermordung von Enver Şimşek zum 20. Mal. In Nürnberg wurden drei Menschen durch den NSU ermordet und ein weiterer Mensch bei einem Bombenanschlag schwer verletzt. Zusammen mit verschiedenen Organisationen, Verbänden und Parteien fordern  wir die Stadt Nürnberg auf das Gedenken an die Opfer des NSU zu unterstützen. Zugleich wollen wir die Stadt in die Verantwortung ziehen, ihrem  Namen als  „Stadt der Menschenrechte“ gerecht zu werden und  sich für die Aufklärung des NSU- Komplex, insbesondere die Verstrickung der staatlichen Behörden, einzusetzen. Kein Schlussstrich!

 

Gedenken an die NSU-Opfer in Nürnberg
Seit 2015 findet das Straßenfest am Aufseßplatz statt. Der Titel des Straßenfestes spricht für sich und
ist eine klare Positionierung: „Gegen Rassismus und Diskriminierung – Für ein besseres
Zusammenleben“. Dieses Fest wird getragen von einem breiten Bündnis unterschiedlicher Parteien,
Gewerkschaften, Vereinen und Organisationen. Insgesamt sind es etwa 60 Gruppen, die sich in
irgendeiner Form beteiligen oder beteiligt haben. Die Schirmherrschaft des Festes übernahm in den
Jahren 2015 bis 2019 der damalige OBM Dr. Ulrich Maly.
Die Notwendigkeit für das Straßenfest ist die Erinnerung an die Opfer des NSU, die Forderung nach
Aufklärung des Komplexes um den NSU und das gemeinsame Engagement gegen Rassismus.
Nürnberg nimmt mit drei Morden und einem Bombenanschlag innerhalb der NSU-Mordserie eine
unrühmliche Spitzenposition ein. Um den drei Mordopfern – Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru
und İsmail Yaşar – und dem Betroffenen des Bombenanschlags Mehmet O. zu gedenken, sollte neben
reinen Gedenkveranstaltungen an den jeweiligen Orten eine weitere Form des Erinnerns, aber auch
des Mahnens und des Informierens gefunden werden. Daraus ist das Straßenfest entstanden,
welches seit seinem Bestehen immer im Juni stattfindet, im Umfeld der Todestage der beiden letzten
Nürnberger Todesopfer. Heute sind wir an einem Punkt, wo das NSU Gedenken nahezu
ausschließlich von der Zivilgesellschaft getragen wird. Von Seiten der Stadt gibt es bis auf wenige
Ausnahmen fast kein Gedenken. Angesichts des Umstandes, dass die Betroffenen des NSU-Terrors
und ihre Familien unerträgliche Schikanen von Seiten der Polizei und der Medien erfahren mussten,
umso unverständlicher.
Dass Gruppen, die sich antirassistisch engagieren, Gedenkveranstaltungen durchführen,
Gedenktafeln an den Tatorten anbringen oder eben mit dem Straßenfest ein Zeichen für Miteinander
setzen, ist ein wichtiges Zeichen, zeigt jedoch auch die mangelnde Tätigkeit von Seiten der Stadt auf.
Der Titel des Straßenfestes formuliert zwei Facetten. Einerseits erfolgt eine klare Positionierung
wogegen wir stehen – gegen Rassismus und Diskriminierung in jeglicher Form. Andererseits wird
aber auch verkürzt beschrieben, wofür wir eintreten: für ein besseres Zusammenleben. Da lt.
Polizeibericht im Jahr 2019 in Nürnberg die rechte Gewalt um 39,3 % gestiegen ist, wird deutlich, wie
wichtig und notwendig diese Positionierung ist.
Leider konnte das Straßenfest in diesem Jahr nicht real am Aufseßplatz stattfinden, es gab lediglich
eine Online-Version mit zahlreichen Wortbeiträgen und klaren Positionierungen. Auch der neue
Oberbürgermeister Marcus König sendete eine deutliche Grußbotschaft: „Wir gedenken auch an die
NSU-Mordserie und die Opfer. Gleichzeitig wird eine starke Botschaft für ein besseres
Zusammenleben gesendet.“ Etwas später folgen die Sätze: „Wir haben einen Auftrag. Wir sind in der
Stadt des Friedens und der Menschenrechte und jeder von uns muss jeden Tag gegen Rassismus und
Diskriminierung einstehen.“ Diesen Sätzen müssen nun auch Taten folgen.
Das Gedenken darf nicht nur Aufgabe von zivilen Akteur*innen sein, sondern auch die Stadt
Nürnberg, als Stadt der Menschenrechte und des Friedens, muss die Verantwortung für das
Gedenken an die Opfer der Verbrechen, die hier passiert sind, übernehmen. In Zeiten des immer
stärker werdenden rechten Terrors und wachsenden Hasses und stärker werdender Hetze muss ein
starkes Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung gesendet werden. Dazu ist eine Verbreiterung
in der Stadtgesellschaft notwendig, bei der auch die Stadt Nürnberg eine entscheidende und
tragende Rolle spielen muss.
Deshalb haben wir folgende Forderungen:
• Offizielle Beteiligung und Unterstützung der Stadt Nürnberg am Straßenfest gegen Rassismus
und Diskriminierung
• Gedenktafeln/Mahnmale an den Tatorten der Nürnberger NSU-Opfer
• Die Stadt Nürnberg muss sich an den zivilen Gedenkveranstaltungen an den Todestagen der
drei Nürnberger NSU-Opfer sowie am Tag des Anschlags auf die Gaststätte Sonnenschein
unterstützend beteiligen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Veranstaltungen bleibt bei den
zivilen Gruppen.
• Straßenumbenennung in die Namen der Nürnberger NSU-Opfer:
Liegnitzer Straße in Enver-Şimşek-Straße
Siemensstraße oder Gyulaer Straße in Abdurrahim-Özüdoǧru-Straße
Scharrerstraße in Ismail-Yaşar-Straße
• Umbenennung der Scharrerschule → Ismail Yaşar Grund- und Mittelschule
• Die Stadt Nürnberg muss ihren Einfluss geltend machen und sich für einen zweiten NSUUntersuchungsausschuss einsetzen
Gerne sind wir bereit, die einzelnen Punkte inhaltlich zu begleiten und stehen ebenso
selbstverständlich für Gespräche bereit. 


Unterzeichner*innen: • Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD Nürnberg • Arbeitskreis gegen Rechts der SPD Nürnberg • Black Community Foundation Nürnberg • Bündnis 90 / die Grünen Kreisverband Nürnberg • Bunter Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd • Das Schweigen Durchbrechen • Deutscher Freidenker Verband Nürnberg • Freundschafts- und Solidaritätsverein e.V. • DIE LINKE Nürnberg-Fürth • DKP Nürnberg • Grüne Jugend Nürnberg • Fliederlich e.V. Queeres Zentrum Nürnberg • Interventionistische Linke Nürnberg • Iranischer Kulturverein Khayam • Junge Stimme e.V. • Jusos Nürnberg • Kreisjugendwerk Nürnberg e.V. • Kreisjugendring Nürnberg-Stadt • MC Kuhle Wampe „Geyers Schwarzer Haufen“ • Medya Volkshaus e.V. • MOiN e.V. - Migrantenorganisationen in Nürnberg • Naturfreunde Nürnberg Mitte • Nürnberger Bündnis Nazistopp • PAHN - Politische Arbeitsgemeinschaft Helferkreise Region Nürnberg • Sozialistische Jugend Deutschlands – die Falken Unterbezirk Nürnberg • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Nürnberg (VVN-BdA)