Jedes Jahr wird im Frühling der "Frauenmonat März" ausgerufen, an dem sich bürgerliche Initiativen genauso wie staatliche Institutionen, Universitäten, soziale Einrichtungen etc. beteiligen. Unternehmen werben im März mit einer pink-washing Strategie für absolut Alles, vom rosafarbenen Rasierer bis hin zur Schlagbohrmaschine. Universitäten ergehen sich in Selbstbeweihräucherung, wie progressiv sie doch sind, weil sie Mittel für Genderstudies Lehrveranstaltungen vergeben. Ministerien feiern ihre MinisterInnen, in der Innenstadt verteilt irgendwer Rosen an Frauen*. Doch dass die Werbung natürlich kein feministischer Fortschritt sondern Vermarktung sexualisierter weiblicher Körper ist, die Universitäten nach wie vor ein Hort weißer männlicher Eminenzen sind die nur einen Bruchteil ihrer Professuren mit Frauen* besetzen und die Ministerien eines kapitalistischen Staates kein Interesse an der Abschaffung des systemerhaltenden Patriarchats haben, sollte uns allen klar sein. Dass es mit Blumen nicht getan ist ebenso.
Daher rufen wir zum feministischen Streik auf!
...weil Care-Arbeit immer noch unbezahlt oder unterbezahlt ist!
Corona wirkt als Katalysator für gesellschaftliche Missstände, was nirgendwo sichtbarer wird als in der professionellen und in der privaten Care-Arbeit. Pflegeberufe, Sozialarbeit, sowie die private Betreuung von Kindern und Angehörigen stehen seit nun mehr zwei Jahren im gesellschaftlichen Fokus. Doch hat sich an den prekären Arbeitsbedingungen von Pflegepersonal, Erzieher*innen und Sozialarbeitenden etwas geändert? Nein!
Nach wie vor schuften diese Berufsgruppen - mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an migrantisierten FLINTA*-Personen, die häufig von einer Mehrfachdiskriminierung betroffen sind - unter immensen Druck. Zeitlich, physisch, psychisch. Wurde am Anfang der Pandemie noch symbolischer Beifall gespendet und über die Erhöhung der Löhne in systemrelevanten Berufen diskutiert, scheint dieses Thema mittlerweile die wenigsten Menschen zu interessieren. Man hat sich mit dem pandemie- und systembedingten Ausnahmezustand arrangiert.
Und warum ändert sich eigentlich nichts an dem scheiß System? Unserer Meinung nach liegt das unter anderem am Patriarchat!
Das Patriarchat, das als fester Bestandteil, als Stütze oder gar als Brandbeschleuniger im Kapitalismus dafür sorgt, dass sich nichts ändert und ändern soll. Es muss in diesem System eine künstliche Ausbeutungslogik geben, um Kosten der Care-Arbeit zu individualisieren. Bezahlte Care-Arbeit ist unterbezahlt. Unbezahlte Care-Arbeit ist, nun ja, unbezahlt.
Im Gegensatz zur beispielsweise männerdominierten Autolobby, in die nach wie vor jedes Jahr Milliarden gepumpt wird, hat die Sparte der sozialen Berufe keine finanzstarke Lobby hinter sich. Ganz im Gegenteil. Nicht erst seit der Einführung der Fallpauschale, die Krankenhäuser effektiv zu Konzernen umwandelt, wird aus der von primär FLINTA*-Personen ausgeübten Care-Arbeit Profit geschlagen.
Seit jeher wird in heteronormativen Familienstrukturen die Care-Arbeit zumeist den Frauen* überlassen. Von ihnen wird erwartet, neben der Lohnarbeit und der eh schon anfallenden Hausarbeit, in Pandemiezeiten auch noch Kinderbetreuung und Unterricht zu übernehmen. Natürlich unentgeltlich und häufig unsichtbar. Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen drohen die feministischen Kämpfe der letzten Jahrzehnte meilenweit zurückzuwerfen
... weil wir FLINTAs* und Queers sichtbar machen wollen!
Die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung stellen, noch mehr als bisher, die biologische Kernfamilie ins Zentrum. Für Frauen*, Lesben und Queers und alle, die ihr Leben jenseits der patriarchalen Modelle gestalten, wird der Alltag noch mehr zur Herausforderung. Dies gilt insbesondere für die ohnehin schon schwierige Organisation der Care-Arbeit in queeren Familien- und Lebenszusammenhängen. Frauen*, Lesben und Queers, die die Kinderbetreuung und/ oder gegenseitige Unterstützung jenseits von Kernfamilien organisieren, müssen abseits des offiziell Erlaubten Lösungen finden. Wir streiken deshalb auch für eine solidarische Gesellschaft – in der wir auch außerhalb unserer biologischen Kernfamilien füreinander da sind.
... weil wir für eine Gesellschaft ohne Geschlechter sind!
Innerhalb des herrschenden Systems kämpfen wir für die Sichtbarmachung aller Geschlechter, um die Benachteiligungen nicht cis-geschlechtlicher Menschen und deren geschlechtlicher Identitäten aufzuheben. Das langfristige Ziel muss aber unserer Meinung nach eine queerfeminstische Revolution und eine von Geschlechterkonstrukten befreite Gesellschaft sein. Eine feministische Gesellschaft ist eine, in der Benachteiligung aufgrund von Geschlecht nicht existiert. Also eine Gesellschaft, in der es keine Geschlechter mehr braucht. Weg vom alten System! Für eine Revolution und Transformation in eine bessere, feministische, ökologische, antirassistische und sozial gerechte Gesellschaft.
... weil wir die konsequente Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe fordern!
Geschlechtsspezifische Gewalt und Verfolgung, wie häusliche und sexualisierte Gewalt, Genitalbeschneidung, sexuelle Ausbeutung oder diskriminierende Gesetze zwingt viele FLINTA*s in die Flucht. Diese besonderen Fluchtgründe werden im Asylverfahren nicht hinreichend thematisiert und erst recht nicht konsequent anerkannt. Abschiebungen (queerer) FLINTAs* in Ländern, wo ihnen aufgrund ihres Geschlechts Verfolgung droht, sind nach wie vor an der Tagesordnung. Auch in Unterkünften hier vor Ort gehören Übergriffe und Angst vor sexualisierter Gewalt für viele FLINTAs*und ihre Kinder zum Alltag.
Das Patriarchat als globaler Unterdrückungsmechanismus, eint Verfolgende in Herkunftsländern wie Entscheidende am BAMF im Geiste. Feministische Politik heißt für uns, diesen Missstand zu beheben und für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe zu kämpfen.
... weil wir körperliche Selbstbestimmung wollen!
Ein Ausdruck der männerzentrierten Medizin sowie patriarchaler Gesetze ist die Versorgungslücke für Schwangerschaftsabbrüche. Seit 20 Jahren ist die Anzahl der ärztlichen Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, um fast die Hälfte gesunken. Dieser Umstand ist eindeutig auf die regressive Kriminalisierung von Patient*innen und Ärzt*innen durch die Paragraphen §218 und §219A zurückzuführen und für uns nicht länger hinnembar. Wir fordern die Abschaffung der beiden Paragraphen, die in einem zutiefst sexistischen und patriarchalen Weltbild verankert sind und uns FLINTAs* unser Recht auf körperliche Selbstbestimmung nehmen!
… weil wir überbelastet - ungesehen und un(ter)bezahlt sind - In Solidarität mit den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst!
In diesem Jahr streiken wir zusammen mit den Gewerkschaften rund um den 8. März. Seit Jahren fordern wir die Gewerkschaften auf, sich an unserem radikal-feministischen Streik zu beteiligen. Nach zwei Jahren Corona stehen wir nun in einer gemeinsamen Streikwoche aus der tariflichen und der radikal-feministischer Bewegung Seite an Seite auch für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Sozial- und Erziehungs-Bereich. Was vor einigen Jahren mit Streiks überall auf der Welt begonnen hatte, scheint nun auch bei uns Fuß zu fassen.
Aus all diesen Gründen rufen wir zum feministischen Streik am 8. März auf!
Für eine Welt jenseits von Patriarchat und Kapitalismus!
Für eine befreite Gesellschaft - die mehr als keine Geschlechter kennt!
Für einen globalen feministischen Streik!
Für eine globale, queerfeministische Revolution!
Die Termine im Überblick:
- 3. März um 17:00 am Rathausplatz
Protestaktion gegen die Erhöhung der Kita Gebühren: Kostenlose Kinderbereuung statt Kita Gebührenerhöhung und Aufwertung der sozialen und Erziehungsberufe
Initiative Solidarischer Arbeiter*innen 3. März um 19:00 – 20:30 livestream Diskussion der Rosa Luxemburg Stiftung Feministisch Streiken?! Der 8. März und der Kampf um Aufwertung der Sozial- und
Erziehungsdienste mit Caroline Wiedemann (analyse&kritik, Missy Magazine) und Christine Behle (stellvertr. Vorsitzende von ver.di und Verhandlungsführerin in der S+E Runde)
link zum livestream: Feministisch Streiken?! - Rosa-Luxemburg-Stiftung (rosalux.de) - 7. März Equal Pay Day
Neben der ganzen unbezahlten Care- und Sorgearbeit leisten Frauen und FLINTAs auch in der Lohnarbeit statistisch im Vergleich zu Männern bis zum 7. März umsonst. 18% Lohnlücke in der
Bundesrepublik (in Bayern 22%). Wir gewöhnen uns nie dran! - 8. März - 12:00 am Rathausplatz: Wir holen uns den ersten Entlastungstag! Ausruhen im öffentlichen Raum. / Kundgebungs-Performance von Streikenden in der S+E Runde
- 8. März - ab 14:30 Streikcafé am Kornmarkt: - feministisches Streikcafé des FLINTA Komitee zum kennenlernen, ausruhen, auftanken, Aktionen planen, Kaffee trinken- Streikgelderfassung / Videobox und Fotobox für Botschaften und Forderungen zum 8. März und in der S+E Runde
- 8. März - 17:00 Feministische Streikdemo durch die Stadt
- 8. März - 18:30 Treffen der beiden Demonstrationszüge am Hauptmarkt und Auftakt der Feministischen Abenddemo (FLINTA only)
- 12. März - Großdemo um 14:00 am Plärrer / Ecke Gostenhofer Hauptstraße: Es wird einen lila Block geben und dieses Jahr erstmals auch einen weißen Block, in dem Pflegekräfte gemeinsam laufen werden
Kommt zu den Streikveranstaltungen und Demonstrationen am 8. und 12. März. Nähere Informationen findet ihr auf:
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https://www.instagram.com/interventionistische_linke_nbg/?hl=de
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